Erinnerungshäppchen

Erinnerungshäppchen anlässlich der Ausstellung 68/10 am 11.11.2008

mit leonischen silber gestickt
Český Krumlov, 5. September 2005

Kaum jemand spricht Tschechisch. Es summt allgegenwärtig englisch – deutsch – japanisch – russisch geprägtes Sprachengewirr. Überall fixe fotografische Fischzüge nach touristischen Erinnerungsbildern. Da kann ich nicht mit (fotografieren). Ich suche Methoden und Wege der Langsamkeit: Regelmäßig lese ich Fundstücke auf vom Rand der Straßen. Zu den Scans davon zeichne ich jeden Tag eine „schnelle“ Skizze. POSUNOUT – SHIFT – VERSCHOBEN schreibe ich auf einen Zettel: Motto für die geplante Ausstellung in der Krummauer Synagoge am Wenzelstag. …

7. Oktober

Endlich morgens über den diesigen Lüften im sonnendurchflochtenen Schlosserker. Mein „mitgebrachtes“ Vorhaben, im Barocktheater-fundus zu recherchieren, wird doch noch wahr! Mit Dr.S. sind die Gespräche voller Leben, auch wenn wir verschiedene Sprachen sprechen. Zunächst erstaunlich, wie viele Felder da aneinandergrenzen, auf denen Arbeit ist: In der Saison täglich Tausende inter-nationaler Besucher, Restaurieren der „Masken und Kostüme“, Archivieren und Forschen. Dann fallen die Worte. Erbe, System, Ordner. Gegenwart scheint fremd. Diese alte Liste*, die ich als mein erstes Krummau-Fundstück aus Kassel mitbringe, ist nur eine von vielen. Und sie ist nicht richtig. Ich höre: Es gibt soviel mehr Kostüme. Aus vielen Jahrhunderten. Sie alle wollen vollständig registriert, restrauriert und archiviert werden. Forschungsaufgabe für viele, für viel Geld und für lange Zeit. All das ist knapp. Es gibt viel zu tun, Anrufe aus aller Welt. Ich bekomme derweil sehr freundlich eine wichtige aktuelle Inventar-Akte vorgelegt und aufgegeben, sie zu studieren für die Wartezeit im Büro. In den Abbildungen sind die Kostüme aufgespießt wie Falter.

17. Oktober

Kurz vor Ende meines Aufenthalts in Krummau darf ich mich an zwei Tagen einschließen lassen bei den Beständen in der „Dunkelkammer“ des Fundusgebäudes. Mich fesseln die Licht-, Farb- und Strukturdetails der Stoffe immer mehr. Sonnenfürstenverherrlichung, Talmi. Mit welch einem Aufwand wurden die Kostüme einmal für das absolutistische kleine Welttheater gemacht. Geld- und mühevoller Geduldsaufwand. Inakzeptabel.? Wie schön – trotzdem: „Wirklich gesehen“ – wenn auch meist hinter Glas – kommen die unter Verschluss erhaltenen fragilen Hüllen der altertümlichen Sprachpoesie „meiner Liste“ beinahe nahe.

Gerhild Werner

vom 1.9. bis 31.10.2005 Stipendiatin im Atelier Hessen in Český Krumlov


* Mit der „Liste“ meine ich das „Inventarium Uiber die beim krummauer Schlosse sowohl zum Theater, als zum Tanzsaale gehörig, befindlichen Garderobe und die darin vorgefundenen Masken, im Jahre 1807“ von Jiří Záloha.

10 Jahre MOLDAUSTIPENDIUM

Ich zeige meine Installation "barocco blinkt" mit Arbeiten aus demStipendienaufenthalt in Krummau 2005. 
Eröffnung 19.30 Uhr im HMWK Wiesbaden am Dienstag, 11. 11. 2008, Ausstellung 11.11. bis 6.12.2008